Maniva, Macaxeira, Mandioca – Die Maniokwurzel hat viele verschiedene Namen und Verwendungsmöglichkeiten. Im Amazonasgebiet ist sie die zentrale Kulturpflanze und Kohlenhydratquelle der Menschen. Über 200 verschiedene Maniok-Varietäten sind am Rio Negro bekannt. Dabei ist die Maniokwurzel nur eine von vielen Pflanzenarten, die als leuchtende Beispiele für die Biodiversitäts-fördernde jahrtausendealte landwirtschaftliche Praxis gelten. Heute spielen Maniok, Ananas, Bananen & andere Produkte aus regionalem ökologischem Anbau außerdem eine entscheidende Rolle für die Ernährung und Gesundheit der Schuljugend in der Amazonasregion. Durch die nachhaltige Bewirtschaftung des Regenwaldes und die Nutzung von traditionellem Wissen können Lebensmittel produziert werden, die nicht nur nahrhaft, sondern auch frei von schädlichen Pestiziden sind.
Basierend auf der “Philosophie des stehenden Waldes”, über die wir in dieser Serie bereits berichtet haben, werden die Wälder auch im traditionellen Landwirtschaftssystem des Rio Negro als lebende Organismen behandelt und ihre Artenvielfalt durch den Anbau von Mischkulturen in einer Kombination aus Permakultur, Waldgärten und Brandrodungs-Wanderfeldbau gefördert. Diese vielfältige Praxis trägt nicht nur zum Schutz des Ökosystems bei, sondern ermöglicht es auch, Obst und Gemüse zu gewinnen, ohne die Umwelt zu schädigen. Heute bietet dieser Ansatz nicht nur eine gesunde Alternative für die Schuljause, sondern dient vielen Bäuerinnen auch als wichtige Einnahmequelle.
Eine von ihnen ist Griselda Lopes da Silva aus der Dorfgemeinschaft Canadá do Ayarí in der brasilianisch-kolumbianischen Grenzregion. Seit 2021 arbeitet die Bäuerin für die Dorfschule und versorgt die Kinder und Jugendlichen mit Produkten aus Maniok wie Farinha-Mehl, Tapioka-Perlen oder Beijú–Brot. Aber auch Feldfrüchte wie Ananas, Banane, Cubio oder Süßkartoffeln verkauft sie an die Schule. Außerdem erzeugt sie Açaí-Milch, die den Schüler:innen als gesunde Abwechslung zum vom brasilianischen Staat zur Verfügung gestellten Nesquik-Kakao dient.
Das Nationale Schulverpflegungsprogramm, kurz PNAE, hat sich zum Ziel gesetzt, allen schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen in Brasilien eine gesunde Schuljause aus möglichst regionaler Produktion zu ermöglichen. Dadurch soll nicht nur die Versorgung der Schüler:innen mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln sichergestellt, sondern auch die kleinstrukturierte Landwirtschaft im Landesinneren gestärkt werden. Doch für den Zugang zum Programm müssen sich die Bäuer:innen in einem nationalen Kataster erfassen lassen und ihre Mitgliedschaft jährlich erneuern. Für Bäuer:innen wie Griselda, die über 500 km flussläufig von der nächsten Stadt, São Gabriel da Cachoeira, entfernt wohnen, ist das ein immenser logistischer Aufwand. 2023 verpasste Griselda die Frist zur Registrierung und damit auch die Möglichkeit, ihre Erzeugnisse an die Schule zu verkaufen. Im kommenden Schuljahr strebt sie eine neuerliche Teilnahme am Programm an, denn ihre Erfahrung damit sei prinzipiell positiv gewesen.
Wir benutzen keine Chemikalien, keinen Dünger. Unsere Produkte sind 100 % natürlich und das ist gut für unsere Kinder, erzählt die Mutter dreier Kinder.
Initiativen wie diese sind wichtig, um eine gesunde Schuljause für die Kinder und Jugendlichen in indigenen Dorfgemeinden zu ermöglichen, die andernfalls zu einem Großteil aus Konservendosen und Fertigprodukten bestehen würde. Außerdem helfen sie Bäuerinnen wie Griselda, ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften, ohne in die Stadt auswandern zu müssen. Neben den Pflanzen für den Eigenbedarf, bauen sie zuvor vereinbarte Produkte an und verarbeiten diese dann für die Schuljause weiter. Aber auch selbstgefangener Fisch oder Jagdfleisch können so an die Schulen verkauft werden.
Bis heute wenden Kleinbäuer:innen am Rio Negro jahrtausendealtes Wissen für die Kultivierung ihrer Lebensmittel an und leisten einen wichtigen Beitrag zum Humusaufbau auf den ohnehin nährstoffarmen Böden. Doch neben den ökologisch schwierigen Voraussetzungen der Region bringt nun auch der Klimawandel zusätzliche Herausforderungen mit sich. Die Zunahme extremer Wetterereignisse, wie Dürren und Überschwemmungen, die zur Erosion der Böden führen und die landwirtschaftlichen Praktiken und die Lebensgrundlagen der lokalen Gemeinschaften bedrohen, gehört heute zur Realität in den allermeisten Regionen. Die gezielte Unterstützung der indigenen Landwirtschaft ist daher heute wichtiger denn je.